Ich schiebe diesen Artikel so ein bisschen vor mir her, weil er ein ganz schön endgültiger Abschluss von einem langen Kapitel ist. Aber neue, schöne, aufregende, tolle Dinge erwarten uns und deswegen geht’s jetzt los.
Seit fünfeinhalb Jahren blogge ich auf Deutsch. Erst unter klingtkomischistaberso, dann unter Frau Dingens. In der Zeit machte ich einiges an Wandel mit: ich verstand Feminismus, ich begann mich netzaktivistisch zu engagieren, ich wurde politisch aktiv und wieder inaktiv, ich wechselte den Wohnort, begann eine Diss und vieles mehr. Einige alte Artikel, die ich mal schrieb, würde ich heute nicht mehr so schreiben, andere dagegen immer wieder. Ich bin älter geworden, habe viele Erfahrungen gemacht, offline wie online.
Das erste Mal richtig blöde Kommentare unter einem Artikel hatte ich 2012 - ich schrieb über die gephotoshoppten Modelroboterkörper bei H&M und machte den Fehler, etwas persönliches über mich in dem Artikel zu erwähnen. Mein WordPress stand damals noch auf unmoderiert, alles floss einfach so darunter. Etwa 200 Kommentare darüber wie fett, hässlich und dumm ich wäre später stellte ich dann auf Moderation um. Ungefähr zur selben Zeit begann ich, mich mit Feminismus auseinanderzusetzen. Je mehr ich dazu schrieb, desto mehr blöde Kommentare trudelten ein - Lewis-Law - und es wurde zunehmend persönlicher. Ende 2012 „erfand“ ich darauf hin „Frau Dingens“ als Versuch eines Alter Egos - eine Projektionsfläche quasi. Dann kam #aufschrei und mit #aufschrei das kleine Rudel Maskus, das treu und ergeben bis zum heutigen Tag alle meine Artikel vertwittert. Irgendwie ungeplant stolperte ich in Interviewfragen um anderen Mädels, die damit überflutet wurden, auszuhelfen, und dann kamen eigene Anfragen und Menschen kannten meinen Klarnamen und mein Gesicht. Gleichzeitig hatte ich mich bis zur Erschöpfung für die SPD engagiert und zwischenzeitlich stand meine Adresse sowie meine Handynummer für alle auffindbar im Netz.
Selbst wenn ich es nicht vermeiden konnte, manchmal öffentlich mit meinem Klarnamen zu sprechen, so wurde in der Wahrnehmung Frau Dingens und Mina immer mehr zu einem Mischmasch nach Gefallen. Die feministische Furie auf der einen Seite, und wenn man noch mal persönlich schaden wollte, dann schnell den Klarnamen reingeworfen - manchmal auch in Überschriften. Dann gibt es Anrufe bei Arbeitgebern oder der Uni und generell ganz viel Spaß. Das laugt aus, und nach dem Spaß im August wusste ich lange nicht, ob ich weiter machen wollte.
Es ist natürlich nicht überraschend für mich, dass Menschen mich nicht als Person sehen wollen, sondern als Feindbild ohne Gefühle oder als eine, die nur das fühlt, was für sie gerade am profitabelsten ist (wobei ich immer noch auf diesen mysteriösen Profit warte, der sich für mich aus Horden von Hassnachrichten und ungewollter Aufmerksamkeit ergeben sollen - zumal ich hier bisher nullkommanichts an irgendwas verdiene. Anders als z.B. Techblogs mit Werbung). Überraschend war jedoch, dass selbst Menschen, die ich respektiert habe mich lieber als alles stets unter Kontrolle habende, steuernde, intrigante FemIrgendwas sahen. Diese Erkenntnis, die war echt beschissen, und tat auch mindestens genauso sehr weh, wie der Dreckshaufen Scheiße, der auf mich geschmissen wurde.
Ich kenne einige Ladies, die aktiv nachlesen, was über sie geschrieben wird - auch gerade das schlechte - um vorbereitet zu sein. Ich habe riesigen Respekt vor ihnen, und Zoe Quinns Aktion z.B. hat mich unglaublich geflasht, so sehr, dass ich an dem Tag nicht mehr schlafen konnte, weil ich es so krass mutig und stark fand. Ich war nie so, ich bin eigentlich eine eher schüchterne Person im wahren Leben, neue Leute treffen ist für mich immer anstrengend, was andere Leute sagen könnten lässt mich nachts nicht schlafen. Ja, bla, das kommt jetzt voll überraschend, aber, Surprise!, ein paar zehntausende Tweets bilden keinen Menschen akkurat ab, und auch wenn ich direkt und pointiert meine Meinung äußern kann gibt es dennoch Facetten, die andere nie zu sehen bekommen online. Im August konnte ich wochenlang nur unter großer Anstrengung die Wohnung verlassen, ich hatte immer wieder Panikattacken. Ich schreibe das nicht, weil ich Aufmerksamkeit will - nein, bitte, davon hatte ich für drei Leben genug, danke sehr - sondern weil ich klar machen will, wie sehr körperlich verletzend das war. Es musste sich was ändern.
Twitter aufzugeben war ein unglaublich krasser Einschnitt. Ich vermisse so viele Leute - und wenn wir ab und zu dort gequatscht haben gehört ihr sicher dazu. Vor ein paar Wochen reaktivierte ich den Account um das Twitterarchiv zu ziehen - das hatte ich im Auge des Sturms vergessen - und darauf warte ich zwar immer noch, aber er bleibt weiter unangetastet. Twitter ist ein besonderer Fall: dort wie nirgendwo sonst haben Menschen mich als Privatperson und irgendein Bild, das sie von aktivistischen Feministinnen haben, vermengt. Das mag sicher auch daran liegen, dass feministisches Engagement dort sehr leicht fällt, aber das kann keine Entschuldigung dafür sein, Menschen nur noch als ferngesteuerte Roboter zu sehen. Teilweise wurde ich in der Mehrzahl angeschrieben, so, als ob wir(tm) alle in der geheimen FemCave sitzen und im FemMobil Verbrecher jagen. (hey. das wäre ziemlich cool.)
Auch habe ich festgestellt, dass ich als Autorin oft gebeten wurde, möglichst reißerische Texte zu schreiben. Man kann sicher über meinen Schreibstil diskutieren und man muss ihn nicht mögen, aber ich kann eins versichern: ich schreibe nie auf die eine oder andere Art, weil ich denke, „das klickt sich besser“. Mein Anspruch waren immer ehrliche, sauber recherchierte und authentische Texte, und wenn jemand auf diese nicht klar kam, dann war es halt so. Aber die Tatsache, dass Menschen „Frau Dingens“, „Mina“ und „polemisch laut schreiende Feminazif*tze“ in einem Atemzug nannten war fast unaushaltbar. Selbst wenn man dann Leute darum bat, das Pseudonym statt des Klarnamens zu benutzen, wurde das ignoriert, und wozu dann überhaupt das Pseudonym zu Beginn? Und so saß ich vor meinem Blog und wusste nicht recht, was ich aus Frau Dingens machen sollte. Es fühlte sich nicht mehr richtig an, mehr nach Qual als nach Spaß. Was tun? Den Namen killen? Aufhören? Weiter machen wie bisher? Alles war irgendwie unzufriedenstellend, und blöd, und nicht ideal.
Ich schreibe, weil es mir Spaß macht, und ich möchte den Spaß mit euch teilen und eben nicht ständig schreiben, um gegen Windmühlen zu kämpfen.
Deswegen wird sich hier in den kommenden Tagen einiges tun. Die Seite wird vorübergehend nicht erreichbar sein, hier geschieht ein großes Saubermachen, und ich freue mich riesig.
Allen, die in den letzten Jahren konstruktiv kommentiert haben, Mails mit Feedback schickten, mit mir auf Twitter diskutierten und mich zum Nachdenken bewegten: danke. Ich bin unglaublich glücklich und froh, Menschen wie euch auf dem bisherigen Weg gehabt zu haben.
Und auch die Maskus und Anti-Feministen werden immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben: gleich neben Kackbröckchen im Durchfall und persönlicher Hetze auf Techblogs.
Wir sehen uns nächste Woche <3
Titelbild: von Anne Koch.