„Geht es dir denn jetzt gut?“
Schweigen. Überlegen. Dann ein langsames Nicken. Ja, es geht ihr gut. Jetzt.
Generation Praktikum, Generation Y, Generation Burnout. Viele Namen hat man uns verpasst, wenige haben wir uns selbst ausgesucht. Gerne wird über uns geschrieben, mal mehr, mal weniger analytisch. Glaubt man diesen Artikeln wollen wir schicke Lofts als Büros, die Konsole in der Mittagspause, unpraktisch stilistische Schreibtische - und vor allem: Selbstverwirklichung. Natürlich sollen wir uns geben, raten uns Headhunter, Flexibilität sei uns sehr wichtig, sagen Personalverantwortliche. Die gut ausgebildeten Talente, Schnittstelle zwischen der gerade heranwachsenden Generation und den gut eingesessenen Teamleitern von heute. Angeblich steht uns alles offen, wenn keine Tür dann halt ein Fenster, unsere Büros haben gläserne Decken und im Kühlschrank lagern eingefrorene Eizellen.
Es ist Weihnachten, meine Mutter ist zu Besuch, und ich sitze in meiner Wohnung vor dem Laptop. Mein Chef will diese Analyse, jetzt noch, dringend, ach ja, und schöne Feiertage wünscht er. Eine Freundin erzählt mir, dass sie am Wochenende ihrer Hochzeit noch gearbeitet hat, da waren schließlich To Do’s. Ich treffe ein Kollegin einer anderen Abteilung, sie sieht fertig aus, hat im Büro geschlafen. Wochenenden sind nicht zum Ausruhen, sondern zum Netzwerken da. Beim Abendessen geht es um Abteilungstratsch. Die leise Frage, ob Weinproben besuchen als Hobby gelten kann, wenn man sie immer mit Kolleg_innen zusammen absolviert.
Alltag.
Wenn wir aufzählen, was wir lieben, kommen viele Dinge zusammen, aber die durchgearbeiteten Nächte sind selten dabei. Trotzdem, die Arbeit nicht zu lieben bedeutet gescheitert im Versuch der Selbstverwirklichung. Selbstaufgabe als Tugend.
Burnout vor 30, Achievement unlocked. Zwischen Abfindung und Rausklagen gibt nur das Glück und die momentane wirtschaftliche Situation des Unternehmens den Ausschlag. High Potential Listen, diese Woche leider kein Foto mit deiner Familie für dich. Immer höher, weiter; immer tiefer drin. Ein Studium reicht nicht, hast du auch einen MBA gemacht? Wo? Mit welcher Note? Wie groß ist deine Budgetverantwortung? Wie viele Projekte hast du abgeschlossen mit 25? Kannst du dein Praktikum noch einmal verlängern? Bezahlung? Nein, das ist momentan einfach nicht drin, und du lernst ja noch, deine bisherigen Praktika zählen nicht als Berufserfahrung, sorry.
Ein Festmahl für Unternehmen, diese Generation und ihr Mantra der Liebe zur Arbeit. Und weil es so viele von uns gibt, kann man sie alle nacheinander verbrennen, irgendwer bleibt schon dabei, oder auch nicht, der Nachschub kommt ja. Work-Life-Balance wäre dieser Generation ja so wichtig, seufzen Arbeitgebervertreter vorwurfsvoll in Mikrofone, dabei seien sie ja nicht so wirklich gut ausgebildet, und überhaupt, was soll das heißen, ein Privatleben führen… Tarifverträge umfassen einen Großteil der Angestellten schon gar nicht mehr, und als Akademiker_in in eine Gewerkschaft eintreten? Da kann man sich auch gleich „will nicht befördert werden“ in die Mail-Signatur schreiben. In einer Welt, in der es beschämender ist alleine in der Kantine zu essen als mit 40°Grad Fieber zur Arbeit zu kommen gibt es nicht viel Spielraum für Interessenvertretung. Trotzdem, alles besser als arbeitslos zu sein oder wieder von Praktikumshungerlöhnen zu leben.
„Do what you love” disguises the fact that being able to choose a career primarily for personal reward is a privilege, a sign of socioeconomic class. (…) If we believe that working as a Silicon Valley entrepreneur or a museum publicist or a think-tank acolyte is essential to being true to ourselves, what do we believe about the inner lives and hopes of those who clean hotel rooms and stock shelves at big-box stores? The answer is: nothing.
„Tu was du liebst“ verschleiert den Fakt, dass die Möglichkeit sich eine Karriere vorrangig nach persönlicher Vergütung aussuchen zu können ein Privileg ist, ein Zeichen sozio-ökonomischer Klasse. (…) Wenn wir daran glauben, dass als Silicon Valley Entrepreneur oder Museumspublizistin oder als Think-Tank Botschafterin zu arbeiten bedeutet, sich selbst zu sein, was glauben wir dann über die inneren Leben und Hoffnungen von denen, die Hotelzimmer reinigen oder Regale in großen Einkaufsmeilen auffüllen? Die Antwort lautet: Nichts. (x)
Tu nur was du liebst, schreiben Menschen in Texten, das neoliberale Mantra für alle, deren Eltern genug Geld haben um sie durch das Studium zu bringen, und wer scheitert, nun, der hatte nicht genug Leidenschaft, nicht genug Disziplin, nicht genug Liebe. Es gibt keine Grenze mehr zwischen Arbeit und Leben, lebe deine Arbeit lächeln sie dich an; damit es besser runter geht gibt es Latte Macchiato aus dem Vollautomaten in der Kaffeeküche. Ein Espressoheißgetränk und ein silberner Laptop als Äquivalent zur Selbstverwirklichung.
Warum lesen wir nie einen ehrlichen Dialog darüber, wie es ist, als End-Zwanziger in der Berufswelt zu existieren? In der Politik gibt es keinen Platz für Sorgen von Menschen, die nur in befristeten Verträgen bestehen. Kinder sollen wir bekommen, damit wir die Rente der jetzigen Entscheidungsträger_innen sichern, aber wie das funktionieren soll zwischen durchgearbeiteten Wochenenden, 2-Jahres-Verträgen und Praktikumsstellen, das kann auch niemand erklären. Lieber gar nicht erst an die denken, die kein Studium abschließen konnten. Zu fern die Lebensrealität. Gibt es Leben auf dem Mars?
Do what you love and you’ll never work a day in your life! Before succumbing to the intoxicating warmth of that promise, it’s critical to ask, “Who, exactly, benefits from making work feel like nonwork?” “Why should workers feel as if they aren’t working when they are?” In masking the very exploitative mechanisms of labor that it fuels, DWYL is, in fact, the most perfect ideological tool of capitalism. If we acknowledged all of our work as work, we could set appropriate limits for it, demanding fair compensation and humane schedules that allow for family and leisure time.
Tu was du liebst und du wirst keinen Tag in deinem Leben arbeiten! Bevor man sich der verlockenden Wärme dieses Versprechens ergibt ist es wichtig zu fragen: „Wer genau profitiert davon, dass sich Arbeit wie Nicht-Arbeit anfühlt?“ „Warum sollten Arbeiter_innen sich fühlen als würden sie nicht arbeiten, dort wo sie sind?“ In dem genau die ausbeuterischen Mechanismen von Arbeit maskiert werden, die DWYL befeuert, ist DWYL das perfekteste ideologische Instrument des Kapitalismus. Wenn wir anerkennen, dass all unsere Arbeit Arbeit ist, könnten wir angemessene Limits dafür setzen, gerechte Kompensation verlangen und humane Arbeitszeiten, die Raum für Familie und Freizeit lassen. (x)
Zeit, das Tu-Was-Du-Liebst Mantra dorthin zu verbannen, wo es hingehört: in den Papierkorb.
Titelbild: „Office“ von coleydude, via Flickr, unter CC BY-NC-SA 2.0 Lizenz.

