Gehört, Geliehen

Konzerte, Fans und Eigenheiten - Teil 1

barcelonakonzert

Bei dem Wort „Fan“ denkt man schnell an kreischende Mädchen und Boybands. Doch was steckt dahinter und wie läuft es auf Konzerten wirklich ab? Diese mehrteilige Reihe zu Fans und Konzerten gewährt Einblicke…

Schnell noch einen Schluck trinken. Nur ein bisschen Wasser, bloß nicht zu viel. Es ist bald 18 Uhr, wir sind gerade vom letzten Klogang zurück gekommen und obwohl erst in einer Stunde Einlass ist, müssen wir vorbereitet sein. Irgendjemand wird gleich aufstehen, aus Angst, den eigenen Platz in der Schlange zu verlieren, obwohl das kollektive Sitzen immer noch am wirkungsvollsten vor Drängler_innen schützt. Und sobald eine Person aufgestanden ist, steckt die Nervosität so lange alle an, bis um uns herum alle stehen, auf uns runter blicken und mit ihren Füßen gegen unsere Körper stoßen.

Die Lieblingsband aus der ersten Reihe sehen wollen ist wohl etwas, dass sich viele schon mal gewünscht haben. Um den Traum wahrzumachen stehen viele Fans Stunden vor Einlass bereits vorm Konzertvenue und warten. Aber noch was anderes steckt dahinter als der Wunsch, ganz vorne die Lieblingslieder mitzusingen: mit Freund_innen gemeinsam warten, reden, mitgebrachte Kekse teilen, die anderen Fangruppen beäugen und neue Freundschaften schließen.

Als ich Anfang 20 war, habe ich so einige Stunden vor Konzerthallen verbracht. Noch heute zählen einige der dort kennen gelernten Menschen zu meinen liebsten und besten Freundinnen und Freunden. Aber das Warten trennt eben auch Spreu und Weizen: das nette Mädel, mit der man schon auf verschiedenen Konzerten zusammen wartete, drängt dich beim nächsten Venue ab und verhindert so, dass du nach vorne kommst. Ganz nach vorne, versteht sich, denn die zweite Reihe ist sicherlich immer noch vorne, aber auch um einiges unbequemer: durch die aufgebauten Wellenbrecher steht man in der zweiten Reihe meist auf einer kleinen Stufe, man wird von hinten nach vorne gequetscht, ohne jedoch ein Gitter vor sich zu haben, auf dem man sich ausruhen und abstützen kann.

Im Laufe der Zeit entwickelt man einen eigenen Kodex und eine eigene Routine. Wer zuerst da ist, dem wird der Platz nicht streitig gemacht. Jacken werden vor Einlass in Autos verstaut oder mit flehenden Blicken Richtung Security vorm Wellenbrecher geparkt. Taschen? Pah. Alles wird in die Hosentaschen gequetscht, und wer keine bequemen Schuhe anhat wird die – von der ersten Person die aufsteht bis zum Ende des Konzerts - insgesamt bis zu fünf Stunden Stehen, Springen und Tanzen ohnehin nicht durchhalten. Wenn man aber einmal den Dreh raushat, finden sich schnell, auch international, Fangemeinschaften die zusammen halten. Gegen Last Minute Drängler die sich nach der Vorband noch dazwischen prügeln wollen und mit Snickers in der Tasche gegen die Unterzuckerung.

 

Fortsetzung folgt im nächsten Teil – dann mehr zu Konzerten, Fans und denkwürdigen Erlebnissen.

 

Dieser Text erschien zuerst auf stern.de als Teil der Stern Stimmen Reihe.