Als damals WatchDogs auf der E3 vorgestellt wurde, war meine TL kollektiv in Aufruhr: revolutionär wirke das Spiel, eine neue Welt von Möglichkeiten, so hieß es. Jetzt, in 2014, eine Generation Konsole und mehrere Euronen später, liegt das gute Stück bei mir zu Hause. Vorwurfsvoll guckt mich der Titel an, keine Chance hätte ich ihm gegeben, aber hey, wartet, von vorn.
Achtung, dieser Text enthält Spoiler für den Anfang der Story.
Ich hatte keine Erwartungen, als ich das Spiel angefangen habe, weder gute noch schlechte. Ich wusste auch nichts zur Story oder zum Spiel, außer, okay, dass man sich in alle technischen Geräte einhacken kann. Es sollte endlos viele verschiedene Menschen geben, mit unterschiedlichen Berufen, Interessen, Tätigkeiten, Einkommen und „random facts“ (wie z.B. „Sex Addict“ oder „collects Mangas“). So weit, so gut.
Storymäßig bin ich leider schon in den ersten Minuten ausgestiegen. Quatsch, was sag ich, ersten Sekunden. Natürlich muss Aiden Pearce einen totalen Wandel durchleben, etwas, das ihn vom kleinkriminellen Abzocker zum rücksichtslosen Kämpfer seiner eigenen Gerechtigkeit werden lässt. Ja, vielleicht ahnt ihr es schon, gähn, eine weibliche Person muss dran glauben, und was ist effektiver als die kleine süße Nichte. Dass das ganz traurig und traumatisch sein soll, verdeutlicht uns das wiederholt gezeigte Plüschlamm mit den zu großen Augen. Schluchz.
Klar, das ist eine beliebte Trope, aber ich dachte irgendwie es ginge um was großes, gesellschaftskritisches, politisches, das sich im Hacken und Ausspionieren anderer zeigt, und nicht um die x-te Geschichte eines männlichen Heldens, der auf persönlichem Rachefeldzug ist. Es geht dann richtig los, als ich dem damaligen Angreifer, der den Autounfall bei dem das Lamm aus dem Auto geschleudert wurde verursachte, die Antworten aus dem Leib prügeln soll. Ja, ich habs kapiert, Aiden ist jetzt knallhart. So hart, dass meine erste Mission ist, den Angreifer zu erschießen. Danke auch, das macht richtig Spaß, wenn das Gegenüber angsterfüllt vor dir kauert und dich anfleht das nicht zu tun. Und alle so yeah.
Aber, haha, Trololol, es waren keine Kugeln drin, die hat der funny Sidekick nämlich vorher rausgenommen. Was danach kommt: irgendwohin gehen, etwas hacken, entkommen. Warum die Polizei immer weiß, dass ich der Gesuchte bin, warum ich immer direkt erschossen werde, warum ich mich nicht in den Polizeifunk einhacken und meine Spuren verwischen kann, warum ich nicht andere framen kann usw usf bleibt offen, aber kay, immerhin kann ich lauter Geringverdiener ihrer Ersparnisse berauben. „Cancer Survivor“? Zack, danke für die 680Dollar. Das Leben ist scheiße.
Nun, kommen wir zum Rest. Es gibt ziemlich wenig Tutorial, überhaupt, die Hauptmenüs sind undurchsichtig. Ich kann rumlaufen und die Chats und Anrufe Fremder belauschen, und manchmal entdecke ich dabei Verbrechen, die ich dann verhindern kann. Das macht Spaß, vor allem der Teil des Verhinderns, das Verfolgen ist okay, das Einholen und mit meinem schicken Schlagstock drauf einprügeln eher unnötig. Le fuck? Ich kann auch Freelance Jobs annehmen, die meistens Autofahren involvieren. Oh, Autofahren. Generell scheint WatchDogs ein bisschen GTA Feeling aufkommen lassen zu wollen, ich kann mir Autos und Motorräder on demand in meine Nähe ordern oder einfach Menschen aus ihren Autos zerren. Die Steuerung der Autos ist…beschissen und hat dafür sogar einen kompletten Skilltree. Eher durch Zufall habe ich auch entdeckt, dass es in dem Spiel Züge gibt, yeah!, die kann ich dann hacken und anhalten wie ich will. Warum ich für x Missionen dennoch Autofahren muss, und das dann auch noch so spaßbefreit, dass es weh tut - keine Ahnung. Auf jeden Fall habe ich mehrere Missionen abgebrochen. Weil ätzend.
Aber weil WatchDogs ja so eine super offene Welt ist voller Vielfalt (in der ich in der ersten Stunde nur drei Mal dieselben Konversationen über Handys belauschte), kann ich auch Minispiele spielen. Da fliegst du dann um auf Blumentrampolinen durch Ringe zu springen oder läufst durch die Stadt und sammelst Goldmünzen ein. Diese Teile sind fast besser als das Spiel per se, aber gut, an diesem Punkt bin ich auch einfach nur noch massiv genervt von Protagonist, Story, Steuerung, Questgebung.
Fazit:
WatchDogs erinnert mich manchmal an eine Mischung aus Assassin’s Creed und GTA auf Testosteron, also, noch mehr, als eh schon. Die Welt hätte groß und spannend sein können, aber das Setting und Gameplay macht dann doch wieder viele Möglichkeiten kaputt. Für eine Welt, die mir so offen stehen soll, bin ich in Handlung und Wahl doch derart eingeschränkt und im Testosterontraum der Entwickler gefangen, dass ich schnell die Lust verloren habe. Sorry WatchDogs, aber du bleibst erst mal dort, wo du bist: in der Schublade.