Die Debatte der letzten Tage hat eines ganz deutlich gezeigt: Teile Deutschlands haben immer noch ein großes Problem mit dem Wort „Feminismus“. Ich schreibe Wort absichtlich, denn ich möchte allen Menschen grundsätzlich zusprechen, dass sie eine Gleichstellung von Frau und Mann, nicht nur theoretisch sondern auch praktisch, in Wort und Tat also, begrüßen.
Es dauerte keine Stunde, da gab es schon die ersten, die versuchten, das #Aufschrei-Mem zu trollen. Doch wie so schön mehrmals festgestellt wurde: das Mem kann nicht getrollt werden. Jeder vermeintliche Witz, jeder Kommentar, die Frauen würden sich bloß anstellen, jede Beschimpfung, jedes genervte „was wollt ihr schon wieder“, all das, ist immer wieder eine Bestätigung für die Notwendigkeit des #Aufschrei Mems. Was hat #Aufschrei mit Feminismus zu tun? Nun, erst einmal wendet sich die Aktion gegen die Belästigung, Bedrängung, Übergriffigkeit, Diskriminierung und sexistische Behandlung gegenüber Frauen und Männern. Das sind viele verschiedene Konzepte vermengt, was auch teils kritisiert wurde. Ich denke, wenn man das Gesamtbild betrachtet, in dem eine männlich dominierte Gesellschaft in Macht- und Schlüsselpositionen bestimmt was salonfähig ist und was nicht, verschwinden diese Unterschiede: denn alle sind zurück zu führen auf Machtausübung der höher gestellten Person. Das waren in manchen Fällen auch Frauen gegenüber Männern oder Männer gegenüber Männern, in dem weitaus größten Teil der Berichte aber Männer gegenüber Frauen. Und da sind wir schon: beim Feminismus, der eine Gesellschaft möchte, in der respektvoll und gleichberechtigt auf allen Ebenen miteinander umgegangen wird, und eben die Ungleichstellung der Frauen kritisiert.
So weit, so gut. Eigentlich ja nichts schlimmes. Doch warum wird immer wieder so extrem auf feministische Bewegungen reagiert? Nun, extreme Abwehrhaltungen sind meist darauf zurück zu führen, dass die Person Angst vor etwas Unbekanntem hat, sich ungerecht behandelt fühlt, oder seine/ihre Grenzen überschritten meint. Oder alles vermengt.
Ja, die Debatte mag manche nerven. Doch diejenigen, die nur genervt sind, beteiligen sich einfach nicht und versuchen das auszublenden. Was treibt Menschen dazu, aggressiv zu werden, so wie Herr Pütz bei ZDFLogin, wo er Laura Dornheim mit der NPD verglich? Eigentlich ist es so einfach: große Teile der männlichen Gesellschaft genießen mehrere Privilegien auf einmal: auf Grund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Berufs, etc. Das Recht, Frauen jederzeit mitzuteilen, ob man findet, dass ihr Dekolleté schön aussieht, oder ihr Kleid nun zu aufreizend oder zu prüde ist, ist ein Privileg. Ein Vorrecht. Durch nichts verdient, außer, dass die Gesellschaft so männlich geprägt ist, und der Boys Club vorgibt, was okay oder in Ordnung ist. Natürlich ist dieses Privileg eins der Macht: das Recht darauf zu bestimmen, Frauen jederzeit auch auf intimste Dinge ansprechen zu dürfen, jederzeit mit ihnen flirten zu dürfen, ja bis hin zu sie anfassen zu dürfen, greift gewaltig in die Privatsphäre der Frau ein. Nur: dieses Recht gibt es nicht. Es ist ein moralisches, gesellschaftlich akzeptiertes Vergehen, aber kein Recht.
Das kurz sacken gelassen? Gut. Denn das ist wichtig: es erklärt nämlich, warum manche Feminismus so skeptisch gegenüber stehen: die Angst davor, dass ihnen etwas diffuses weggenommen wird, was bei näherer Betrachtung dann doch nur die alte Gewohnheit ist, auf die sie mehr oder weniger Wert legen.
Doch da sind dann noch die, die einfach die Bewegung nicht einschätzen können, was sie verunsichert. Ein Feindbild muss her. Die Feminazis. Kurzhaarige, hysterische Frauen, Kampflesben, die alle einen Fick brauchen. Die feministische Weltverschwörung. Das Feindbild ist bei Personen einfach zu erkennen an Statements wie: „Die Feministen wollen dass wir bald gar nichts mehr sagen dürfen!“ „Ihr wollt uns unterdrücken!“ etc. - Nun, wie gesagt, ich spreche allen Menschen eine gewisse Intelligenz zu, und somit auch den Menschen, die so etwas äußern. Denn wer seine Lebenszeit dem Kampf gegen eine bestimmte Gruppe wendet, ist entweder komplett ignorant in dem, was ihre Ziele sind, oder er/sie lehnt sie vollen Bewusstseins ab und instrumentalisiert vollen Bewusstseins.
In den letzten Tagen wurde öfter von Männern erklärt, wie es denn jetzt mit dem Feminismus weiter gehen muss, damit wir „alle mitnehmen“. Es geht nicht darum „alle mitzunehmen“. Es geht darum, die Diskussion weiter zu bringen. Etwas zu ändern. Und, so sieht’s in Deutschland leider immer noch aus, den Status Quo einfach mal aufzudecken und, mit Frau Schwarzers Worten, zu zeigen, dass „die alte Kacke immer noch dampft“. (Wer jetzt bei der Erwähnung Schwarzers Magenschmerzen bekommen hat, sollte den Text einfach so lange immer wieder lesen, bis es vorbei geht.) Es werden nie alle mitgenommen werden. Denn eine Gleichstellung von Frau und Mann bedeutet eben auch eine Umverteilung der Macht. Und in einer Gesellschaft, wo Männer sich in Diskussionsrunden bei Gesprächsanteilen von 30-40% von Frauen schon unterdrückt fühlen und sich erst „gleichberechtigt“ fühlen, wenn Frauen nur noch 5-10% Redezeit haben, wird das ein langer, harter Weg, den keinesfalls „alle“ mitgehen werden. Es geht um Umverteilung von Macht, Geld, Positionen (oder warum dachtet ihr, wird so gegen die Quote gewettert?). Das ist der Grund, warum einige sich so vehement dagegen wehren, Feindbilder erfinden müssen die an Faschisten erinnern, also an die kollektive Erinnerung der Deutschen an Unrecht. Sie würden etwas verlieren. Darum geht’s. Ihr dachtet doch nicht, dass sich so etwas grundsätzliches ändern kann, ohne dass sich etwas ändert?
Also, wer hat Angst vorm Feminismus?