Als Vorbild nannte Nahles das sogenannte Hamburger Modell. Mit diesem werden Menschen nach einer Reha oder einer längeren Krankheit in den Berufsalltag stundenweise wieder eingegliedert. [x]
Die SPD hat beim großen Thema der Vereinbarkeit von Kindern und Beruf einen Vorstoß gewagt: die 30 Stunden Woche für 25-40 Jährige. Wenn es was zu loben gibt, soll man loben, also lobe ich kurz vorab: ich finde es mutig, so einen Vorstoß zu bringen, zumal er schon recht abgespacet erscheint. Überhaupt, zu thematisieren, dass auf dem Gebiet was passieren muss, ist gut.
Aaaaaaaber!
Es gibt so viele Punkte, die mich daran stören. Zuerst verstehe ich nicht 100%ig welches Problem genau die 30 Stunden Woche beheben soll. Es werden viele Punkte angerissen, aber ob ein Instrument einer verkürzten, vom Staat bezuschussten Arbeitswoche den optimalen Lösungsansatz bietet bleibt fraglich. Mal sehen…
…die Rushour des Lebens zwischen 25 und 40 soll entzerrt werden.
Deswegen können die 30 Stunden Woche auch nur 25-40Jährige in Anspruch nehmen. Das heißt für Azubinen und Studentinnen dann künftig beim Jobeinstieg: eigentlich gar keine Chance mehr in den Beruf über zu gehen, zu groß die Gefahr erst ein Kind zu bekommen und dann auch noch Jahrelang verkürzt zu arbeiten. Ersetzen wir sie halt durch noch jüngere Arbeitskräfte! Und mehr Befristungen! Und mehr Praktikant_innen! Und für die Männer*? Ach, machen wir uns doch nichts vor. Kinder bleiben Frauensache, da wird auch ne 30 Stunden Woche nix dran ändern, denn…
…Männer* sollen mehr Zeit mit den Kindern verbringen können.
Nun. Es gibt Instrumente, auch für Männer*, wie die Elternzeit, um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Man könnte auch einfach etwas weniger arbeiten und die tarifliche Zeit machen statt ständige Überstunden der Karriere wegen. Könnte hätte Kohlroulette. Eine 30 Stunden Woche mit staatlichem Zuschuss hat doch jetzt schon einen schmarotzigen Anstrich, und das liegt nicht zuletzt an der Geisteshaltung, die unsere Gesellschaft so pflegt. Auch sie wird nicht dazu führen, dass sich die Entscheidungen jedes selbst, jeden Tags, länger zu bleiben oder nach Hause zu fahren, verändern.
…Frauen sollen leichter wieder in den Beruf einsteigen können.
Gibts ne voll einfache Lösung, weißte: machste einfach so, dass Angestellte ein Recht auf (Rückkehr in die) Vollzeit haben, genauso wie sie ein Recht auf Teilzeit haben. Brauchste keine 30 Stunden Woche nach Reha Modell, wie bei Krankheiten. Kinder sind keine Rehamaßnahme. Kinder gehen auch nicht weg. Einmal Mutter, immer Mutter. Hab ich gehört.
Letztendlich frage ich mich, wem damit eigentlich geholfen sein soll. Der Endzwanzigerin wie mir, mit Kind, Akademikerin und ohnehin mit gutem Verdienst, die aber ohnehin eher mehr im Büro sein muss um all die strukturellen Nachteile die sie als Frau hat auch nur ansatzweise auszugleichen? Dem Mittdreißiger mit Kind, Mechatroniker, der seit Jahren mal vom Urlaub mit der Familie träumt und jetzt noch in die 30 Stunden Woche geht anstatt noch mehr zu arbeiten um mehr zu ermöglichen? Entweder sie geht arbeiten, weil sie sonst ihr Lebenlang Nachteile haben wird, anders als ihre männlichen Kollegen - dann müsste man doch an der Ursache was machen, nicht an den Symptomen wie dass Frauen einfach keine Kinder mehr bekommen (wollen). Oder er arbeitet und verdient schon zu wenig und wird sich da doch nicht noch in eine reduzierte Arbeitszeit drängen lassen - auch hier, Ursache.
Die Ursachen sind doch einfach erklärt: seit Jahren sinkende Reallöhne, Unsicherheiten bei der Beschäftigung durch zu viel Leiharbeit und Befristung und somit eine Unmöglichmachung der Lebensplanung, systematische Benachteiligungen für Frauen* mit gläserner Decke, die vollkommen starre Arbeitswelt in Deutschland mit Ortsgebundenheit und viel zu wenig Gleitzeit, - um nur einige zu nennen. Ein paar davon hat sich die Politik in Deutschland hausgemacht, ein paar wurden einfach verschlafen, ein paar sind neu. Vielleicht sollte sich die SPD mal diesen Themen widmen - wie z.B. (wo möglich) ein Recht auf Homeoffice, konkrete Vorgaben wann eine Befristung eingereicht werden darf und keine Verlängerung von Befristungen, ein Recht auf Gleitzeit, eine Garantie die Teilzeit nach x Jahren wieder in Vollzeit hochstufen zu können, usw. usf. Und bitte nicht irgendwelchen X-Stunden-Wochen, die erstens niemand versteht, zweitens völlig am Menschen vorbei gehen und drittens auch nicht zweckmäßig sind.
Okay?
Okay.