Der Bundeskongress der Jusos in Magedburg ist vorbei und ich sitze immer noch erschöpft und frierend und wohl auch erkältet zu Hause und grüble über das Erlebte nach. Inhaltlich war es sehr voll, an vielen Stellen schön (vor allem in den Antragsbereichen A und N) und Spaß machend (die Auftritte von Sigmar, Manuela, Peer und Andrea fand ich wirklich super). Natürlich war es anstrengend und es gab auch mal Frust, wie wenn verschiedene Seiten ihre Position nicht vermitteln konnten. Geschenkt. Ich bin 27 und hab genug Berufs- und Lebenserfahrung, um das nicht im Vorfeld zu erwarten.
Wo wir aber bei Vorfeld sind: klar, in meiner Zeit auf Twitter und im Kontakt mit anderen Jusos, die nicht aus Hamburg kommen, hab ich schon öfter gehört „die Hamburger Jusos sind extrem“ „super konservativ“ „alle Kahrs-hörig“ bla, etc, pp. Mir war klar, es gibt Vorurteile. Aber ja, wir haben intern unterschiedliche Meinungen, so wie hoffentlich alle Juso-Gruppen, und wir haben viel diskutiert im Vorfeld, gerade auch zu so Themen wie Bundeswehr an Schulen, Feminismus, Gleichstellung. Wir waren uns nicht immer einig. Und es fällt auch mal ein Satz in nem blöden Tonfall. Aber generell hatte ich das Gefühl, dazu zu gehören, dass meine Meinung gehört (wenn auch vielleicht nicht immer übernommen) wird. Ich hatte das Gefühl, willkommen zu sein, und auch, ja, angekommen zu sein.
Ich erzähle euch jetzt, wie ich den Buko bei den Jusos erlebt habe. Den Jusos, die sich (nicht nur) am Wochenende ausdrücklich gegen Diskriminierung, gegen Benachteiligungen, für Toleranz und Gleichstellung positioniert haben. Here we go:
Freitag kam unsere Delegation in Magdeburg an. Ich hatte echt total Bock drauf. Nicht nur hab ich mich auf viele Anträge gefreut - wir wollten einen Großteil annehmen und beschließen - sondern auch auf die Leute, die ich von Twitter mehr oder weniger kannte und auf die, die ich - so hoffte ich - noch kennen lernen würde. In der Halle unseren Tisch gesucht: ganz hinten. Was nicht schlimm ist, wenn es etwas Abstand zu den Gästen gibt, oder vernünftig sehen oder hören kann. Was leider nicht der Fall war. Geschenkt. Passiert, was solls. Dann kam die erste Äußerung, die mich stutzig hat machen lassen: „wir sitzen immer hinten. Gewöhn dich dran.“ Hä….? Naja. Dann die Frage auf Twitter: „lass mich raten, ihr sitzt hinten mit Hessen Süd?“
Wie auch immer. Der Buko ging los. Ich hatte alle Hände voll zu tun, meine Bereiche kamen recht früh dran, und ich hab versucht alle Änderungsanträge durchzuarbeiten und mitzuverfolgen. Nebenbei wurden schon andere Bereiche diskutiert, in denen unsere Delegation einige Änderungsanträge gestellt hatte. Die meisten wurden abgelehnt. Geschenkt, gibt halt unterschiedliche Meinungen. Ob ich das inhaltlich für sinnvoll halte steht auf nem anderen Blatt. Aber dann kam der zweite denkwürdige Moment: das Präsidium verkündete immer wieder, dass unsere Anträge nicht nur abgelehnt, sondern mit „großer“ „überwältigender“ „großer großer“ Mehrheit abgelehnt wurden. Der Saal fand das lustig. Ich nicht. Ich empfand es als demütigend. Man kann inhaltlich streiten, und wenn jemand die Debatte gewinnt sehe ich keinen Grund mehr dem Verlierer der Debatte noch einen mit zu geben.
Dann kam wohl der vorläufige Höhepunkt. Die Diskussion zur Umbenennung des Deutschlandtreffs. Ich verweise da auf die Positionen von Sigmar und Andrea, die ich für richtig und gut halte und möchte da gar nichts zu sagen. Unser Redner, für den es übrigens die erste Rede jemals vor so einem Publikum war, hat sich einmal - während es schon lauter Buh-Rufe gab - versprochen: nationalistisch statt national. Das war dann willkommener Anlass noch mehr zu pöbeln: „Faschist“ und „Arschloch“ waren wohl die schlimmsten Rufe. Wenn 300 Menschen im Raum dir und deiner Delegation fast gesammelt Hass entgegen brüllen und dich als Faschistin und Nationalistin bezeichnen, obwohl du, genauso wie sie, in der SPD bist und von Herzen aus gegen jegliche nationalistische Scheiße bist, dann ist das echt krass. Ich hab mich dann kurz gefragt, ob es da noch um inhaltliche Differenzen ging oder man in uns einfach nur die bösen Hamburgerinnen sehen wollte, die die SPD in die NPD eingliedern möchten.
Am nächsten Morgen kam ich dann zu unseren Plätzen, und auf meinem Tisch stand eben das Schild „Hamburg“ zur Kennzeichnung der Delegation. Änderungsanträge lagen bereits auf den Plätzen, und darunter fanden wir dann aber viele Zettel. Auf meinem stand „Stirb!“. Auf den bei anderen von uns weitere Beschimpfungen. Wir haben das dem Präsidium gemeldet, die dann zwischen zwei Änderungsanträgen halbherzig darum baten, keine Beleidigungen zu verbreiten. Viele haben das nicht mal mitbekommen. So kann man das natürlich auch handeln. Ich muss sagen, ich war echt getroffen. Was hatte ich den Leuten getan? Was haben meine Genossinnen und Genossen den Leuten getan? Ein Mädel aus der Gruppe formulierte es zutreffend: „Das ist mein erster Buko, ich kenne hier niemanden, aber alle hassen mich.“ Ich könnte es nicht besser ausdrücken. Als ich irgendwann Essen hole, Leute mir erst zulächeln, dann auf meinen Ausweis gucken und Hamburg lesen, und sich dann wegdrehen, wiederholt, ständig, überall, ob auf Toilette, in der Schlange zum Reden oder beim Essen, ja, da bin ich echt zwischendurch kurz den Tränen nahe. So unakzeptiert, ausgeschlossen, unwillkommen hab ich mich noch nie gefühlt. Und ich hab schon viel Scheiße erlebt.
Es folgen einige Kleinigkeiten, wenn du Sonntags dann zum Beispiel reinkommst und Teile der Tische als „Gäste“ gekennzeichnet wurden und einfach mal keine Änderungsanträge dort mehr liegen, obwohl die Veranstalter ja wissen, dass wir dort sitzen, oder wenn du versuchst eine Resolution einzubringen, die Meinungsvielfalt preisen soll, und das nicht klappt, weil ich es anscheinend zu Hamburgisch formuliert habe. Ja, Strömungsreibereien, schön und gut. Aber kann man das nicht zivilisiert machen?
Es wurde öfter gesagt, dass bestimmte Gruppen nicht meckern dürften, weil sie bei den Anträgen und Projektgruppen nicht mitgearbeitet hätten. Hey, abgesehen davon, dass ich nicht mal weiß wann die tagen: bei so einem Umgang, wie soll ich da jetzt noch Lust drauf haben? Ich hab viele Leute während des Mitgliederbegehrens kennen gelernt, auch einige, die pro-VDS sind, wir haben gestritten und ich hab ein paar Mal Sprüche bekommen, die ich scheiße fand. Aber so systematisch gemobbt wurde ich vorher nie.
So ein Verhalten ist der SPD unwürdig. Ich kann mich zwar an Beileidsbekundungen über den Umgang erinnern, aber dass sich jemand für so verantwortlich hält und sich entschudligt? Nein. Man verbrennt so viel Erde, für so viele Jahre. Ich bin wahrlich niemand, die nur im eigenen Hamburger Saft schmort, nein, ich hab 25 Jahre in NRW gewohnt, ich kenne so viele Leute aus anderen Ecken, aus anderen Strömungen, aus anderen Parteien. Es gab bisher nie Probleme. Nie hab ich mich so verachtet gefühlt.
Und auch gerade die Frauen in der Delegation - meint ihr, so ermutigt man sie, sich zu beteiligen? Das ist doch klar, dass man dann zu nem Buko fast nur Leute schicken kann, die abgehärtet sind, und sich Dinge nicht zu Herzen nehmen. Das widert mich echt an, vor allem, für einen selbstbetitelten feministischen Richtungsverband. Dass ich nicht lache! Nix von dem Verhalten am Wochenende war feministisch. Nie hatte ich das Gefühl, unter Gleichen gleichberechtigt zu sein. Nicht einmal.
Ich möchte mich hier noch bei den Hamburgern bedanken, und den Einzelpersonen aus anderen LVs, die trotz allem lieb und unterstützend waren, denn ja, auch die gibt es <3 Und nein. Ich werde mich nicht zurück ziehen, und nein, es liegt nicht an verlorenen Abstimmungen, so ein Quatsch, es wurde einiges sehr gutes beschlossen. Ich weigere mich allerdings, so ein Verhalten einfach so hinzunehmen und als gegeben zu verstehen. Und wer das anders sieht, sollte vielleicht mal darüber nachdenken, ob er oder sie in der richtigen Partei ist.
Glück auf.
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