Ich war diese Woche bei der Post um Pakete abzuholen (oh ja. Das ist der beste Blogeinstieg, den ich jemals geschrieben habe). Abgesehen von der überfüllten Poststelle und der schneidbaren Luft war da dann diese eine kleine Situation, die mich jetzt, Tage später, dazu veranlasst einen Blog zu schreiben und mich abzuregen. Vielleicht wars einfach der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
„Das ist aber ein schwieriger Name!“ fast schon entrüstet entfährt es der Postdame, sie fängt sich aber schnell und lächelt. „Der ist aber schwer zu schreiben!“ sagt sie dann halbwegs entschuldigend. Normalerweise quäle ich mich an der Stelle zu einem entschuldigenden Lächeln, aber irgendwie fror mein Gesicht auf halber Stelle ein. Warum? Warum soll ich mich für meinen Namen entschuldigen?
„Ein Zungenbrecher!“ fuhr sie fort den Namen zu kommentieren. Ich war mir an dieser Stelle sicher, dass sie ihn schon 5x fehlerfrei hätte abtippen können, hätte sie ihre Konzentration auf ihre Arbeit und nicht auf die Ausländischkeit meines Namens verwendet. „Aber Sie können den ja sicher fehlerfrei aussprechen?“ Nein, wollte ich sagen. Nein, ich ruf immer noch mit 27 Jahren meinen Opa im Altersheim an um ihn zu fragen wie man das macht. Stattdessen schwieg ich. Keine Lust. Ich hatte einfach keine Lust, denselben ermüdenden Dialog schon wieder zu führen.
Ich bin mir nicht sicher, wie viele Leute meine Aufregung bis zu diesem Punkt verstanden haben. Und wie viele sie am Ende des Posts verstehen werden. Deswegen versuche ich das einmal zu erklären. Vorab ein wenig Familienhintergrund: meine mütterliche Familie ist Deutsch, meine Mutter in Köln geboren. Mein Vater wurde in Polen geboren, kam aber mit 2 Jahren nach Deutschland. Meine Oma väterlicherseits war Deutsche (früher Deutschland, jetzt Polen) und mein Opa Pole (ganz ursprünglich mal irgendwo Ukraine, aber I dont know). Die Familie kam nach Deutschland weil meinen Großeltern damals gesagt wurde sie wollten keine Deutsche im Dorf, auch wenn sie durchaus zweisprachig war. Schlüssel stecken lassen, über Nacht, unter Morddrohungen geflohen. In Deutschland ungewollt, wegen des Akzents gehänselt. Da beschloss meine Familie Polnisch abzulegen und nur noch Deutsch zu sprechen. Sich zu „integrieren“. Das war in den späten 50er Jahren. So weit so gut. Mein Vater lernte nie richtig Polnisch, und meine Mutter wollte damals den ausländisch klingenden Namen annehmen weil sie fand es klang „cool“. Naja.
Ich schreibe das, weil ich immer noch das Gefühl habe, ich müsste mich rechtfertigen. Das kam schleichend, unbewusst, ungewollt, aber ich fing früh an mich dafür zu rechtfertigen wie ich mit Nachnamen heiße (okay. Mein dunkles Aussehen und der Vorname „Yasmina“ hilft jetzt nicht viel. Mein Bruder heißt Philipp. Frag mich manchmal ob der dieselben Probleme hat). Das hat eigentlich folgenden Grund: ich wurde komplett deutsch (oder 50% deutsch, 50% rheinländisch) erzogen. Mit 6 hab ich meinen Nachnamen auswendig gelernt, zum Buchstabieren, aber ich habe mich immer als Deutsche gesehen. Katholisch erzogen, nie ne andere Sprache gehört… aber ich wurde eigentlich immer aus Ausländerin gesehen. Fühl mich jetzt schon schlecht das zu schreiben, als wäre das etwas schlimmes. Es ist meiner Meinung nach nichts Schlimmes, Migrantin zu sein, in welcher Generation auch immer. Es ist die Behandlung, die kleine Alltagsdiskriminierung, die es schlimm macht. Das ist wohl auch der Grund warum ich mich so dagegen wehre.
Im Nachhinein setzten sich nämlich viele Puzzleteile zusammen: das Gymnasium, das mich trotz Empfehlung der Grundschule zwei Klassen zu überspringen und top Noten auf Grund meiner „Befriedigend“ in Schönschrift (!) erst nicht annehmen wollte. Die Tatsache, dass ich dann in einer Klasse war, wo alle Ausländer zusammen waren und die jedes Jahr systematisch die Sitzenbleiber bekommen haben, so dass die Deutschen Schüler ungestört lernen konnten. Der Fakt, dass ich wohl als Quotenfrau und -ausländerin meine Ausbildungsstelle bekam. Die merkwürdigen schnell endenden Telefonate wenn es um Wohnungsbesichtigungen o.ä. ging sobald man den Namen nannte. Und die endlosen, unoriginellen, nervtötenden Kommentare zum Namen: „Sie sollten endlich heiraten, damit Sie was aussprechbares haben!“ (ha! der ist sogar doppelt diskriminierend). „Das ist komisch, du siehst eher türkisch aus, aber dein Name passt gar nicht dazu?!“ „Wo sind Sie geboren? … Bensberg … Nein, ich meine aus welchem LAND kommen Sie!“ (das war übrigens im Amt). Usw. Usf.
Versteht mich nicht falsch. Man kann mich gerne fragen. Ich hab gelernt meine Wurzeln zu lieben, ich war vor Jahren in Polen und in Litauen (wo meine Oma mütterlicherseits Wurzeln hat) und es war wunderschön. Ich würde gern Polnisch lernen, oder Russisch, weil mich die Sprachen und Kulturen faszinieren. Es ist nichts dagegen einzuwenden, ich trage den Namen schließlich. Aber ich wehre mich dagegen, hier jetzt und öffentlich, darauf reduziert zu werden. Dafür „bestraft“ zu werden. Und das hat mich eigentlich dann noch erkennen lassen: wir alle müssen noch so viel lernen. Lernen, dass es im 21. Jahrhundert normal ist, dass nicht mehr jeder Meier Müller Schmitz heißt. Lernen, dass Menschen unterschiedlich aussehen, sie das aber nicht mehr oder weniger Deutsch oder was auch immer macht. Lernen, damit offen umzugehen, und nicht die eigene Unsicherheit oder auch Abneigung mit frechem Gefrage zu überspielen. Ich sollte einfach im Gegenzug mal alle anderen danach fragen, ihre Familiengeschichte offenzulegen, als wär es etwas selbstverständliches, dass man sich mit nem anderen Namen erklären muss. Als ob das irgendeine verdammte Rolle spielen würde.
Im Übrigen habe ich in den 16 Monaten in Madrid so viele Ursprungsvermutungen gehört wie sonst nie wieder: Marokko, Spanien, Portugal, Ägypten, Türkei, Iran, Afghanistan, Russland, Polen, Ukraine, sogar Schweden (lol?). Nur hat nie jemand Deutschland vermutet. Warum? Weil, so laut Angaben meiner internationalen Freunde dort, der typische Deutsche nicht so offen sei wie ich rüberkommen würde. Ich finde, das ist ein guter Abschluss zu diesem Post.
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