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Frau Dingens vs. #wiesmarties

Mit wackeligen Schritten gehe ich die ersten Schritte Richtung YouTube. Viel Spaß!

Im Video erwähnte Links:

 

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Wer schreibt, der bleibt.

Momentan wird seit dem Vortrag von Glenn Greenwald auf dem #30c3 über die Rolle von Journalist_innen und Aktivismus diskutiert. Den Aufschlag machte Zeit Online, als Biermann und Beuth feststellten, Greenwald würde sich mit “Aktivisten gemein” machen. Als Journalist_in müsse man objektiv sein, neutral, sich nicht für eine Sache einsetzen, so äußerten sich manche - sondern sich stets als Teil des Journalismus sehen, der irgendwie auf einer Meta-Ebene jenseits der Gesellschaft schwebend alles berichtet und Fakten liefert. Es entspann sich auf Twitter und verschiedenen Blogs eine Diskussion darüber, was Journalismus - bzw. im Journalismus tätige Personen - dürfen sollen, und was nicht.

Meine initiale Reaktion war folgende:

(Ergänzend dazu könnte ich noch hinzufügen, auch die Berichterstattung über LSR, VDS, NSA Affäre oder Wahlkampf und Parteienprogramm wären der erneuten Lektüre unter diesem Gesichtspunkt wert.)

Was mir dabei natürlich direkt einfiel, waren die vielen, endlosen und in großen Teilen auch selbst-referenziellen Feuilletonstücke aus diesem Jahr. Egal ob Sexismus oder Rassismus, egal ob Pinot Grigio oder Veggieday - irgendwo gibt es irgendeine Person, die bereits irgendeine Wertung vorgenommen hat und darüber nun in irgendeinem Medium schreiben darf. Besonders die Sexismus und die Rassismus Kinderbuch-Debatten waren ab einem bestimmten Punkt nur noch Meinungstennis der verschiedenen Kommentarspalten. Wie die dressierten Zirkushunde sprangen wir* schließlich alle durch die uns von den Fleischhauern und Bönts dieser Welt hingehaltenen Empörreifen. Und genau da liegt das Problem.

Journalismus ist weder objektiv noch neutral, denn Journalismus wird von Personen, Menschen, gemacht. Menschen sind nicht neutral. Oder objektiv. Oder unvoreingenommen. Sie sitzen in Redaktionen und bestimmen die Aufmacher. Sie wählen aus, über was berichtet, und was kommentiert wird. Berichten und Kommentieren, das sind zwei unterschiedliche Mittel, die verschiedene mediale Angebote ausmachen. Ein Unterschied, den wir oft vergessen - und den wir schnell wieder deutlich(er) machen müssen. Ein Kommentar setzt schon ein gewisses Maß an Vorwissen über ein Thema voraus, er kann nicht aufklären und verschiedenen Seiten ausgewogen Platz bieten - logisch, er kommentiert ja, bewertet, pointiert, spitzt zu, macht damit gegebenenfalls Unzulänglichkeiten in Argumentationen oder Debatten deutlich. Berichterstattung im berichtenden Sinne dagegen kann zwar auch durchaus durch Wortwahl (be)werten, umfasst aber vielmehr verschiedene Standpunkte, lässt Befürworter_innen und Kritiker_innen gleichermaßen zu Wort kommen und versucht sich an einer Neutralität, die vielleicht nie am Ideal liegen kann, dem aber deutlich näher kommt als jedes gemeine Meinungsstück.

Das ist zumindest das, was ich als Leserin von Journalist_innen, Zeitungen, Verlagen erwarte.

Doch wenn ich 2013 Revue passieren lasse - und gerade nach #aufschrei war das alles wirklich ein großes kompaktes Stück “what” - dann fällt mir schon auf, wie unterschiedlich bestimmte Dinge medial verhandelt wurden. Während bei #aufschrei noch in Teilen eine Berichterstattung statt fand (wohl auch weil es Deutschlands erste große Twitterkampagne war und hier Aufklärung Not tat), so fehlte sie bei Themen wie Rassismus oder der NSA Affäre oftmals, oder erklärende Texte landeten in den Kultur und Netz Sparten, weit hinter Politik, Wirtschaft oder Sport. Und wer genau an dieser Stelle meint, dass dies keine politische Entscheidung sei, eine z.B. über das N-Wort in Kinderbüchern angestoßene Rassismus Debatte im Kulturteil zu führen, und nicht im Politikteil, der scheint noch naiver zu sein als ich vor der Bundestagswahl. Im Gegensatz dazu ist es natürlich auch relevant, dass Gedankenspiele um einen Veggieday der Grünen im Politikteil landen, und nicht in der Gourmetsektion. Auch hier wird selektiert, bewertet, und zwar nach vermeintlicher Relevanz für das tagespolitische und gesamtgesellschaftliche Zusammenspiel.

Was bedeutet das nun für Journalismus und Aktivismus?

Egal ob LSR, VDS, Sexismus oder Rassismus: immer wieder gibt es auf Twitter und Blogs kurze Phasen kollektiven Aufstöhnens, weil sich Debatten gefühlt im Kreis drehen und vor allem viele Fakten in diesen Debatten vergessen oder auch ausgelassen werden. Dann wird entweder die eigene Bedeutungslosigkeit heraufbeschworen oder sich gegenseitig versprochen, ab jetzt aber wirklich Ernst zu machen und jetzt wirklich was zu verändern. Aber! Die Gesellschaft ist meist noch nicht so weit. Meinungsbildung findet in vielen Bereichen nicht faktenbasiert statt (was normal und menschlich ist, in der ersten Reaktion), und durch das Abdrängen von Themen in Randsparten und Debattenteile für die ohnehin schon informierten Intellektuellen findet dort auch nichts statt, was Fakten nahe käme. In einer Zeit, in der die BILD so erfolgreich ist, egal ob auf Papier oder online, dass sie alle Haushalte umsonst mit ihrer Zeitung bestücken kann (mehrmals), kann man zwei Schlüsse ziehen: Zuspitzen und Meinung ist erfolgreich und daher nachahmenswert. Oder: mehr Fakten tun Not, um ein Ausgleichsangebot zu haben.

Wir, als Aktivist_innen, Blogger_innen, Interessierte oder einfach nur Menschen, können uns auf den Kopf stellen: so lange in den Redaktionen Politik gemacht wird durch eine Vorselektion und Vorbewertung politischer und gesellschaftlicher Themen, wird sich nichts ändern. Wer schreibt, der bleibt. Und deswegen muss genau dort angesetzt werden: durch Fortbildungen, durch mehr Vielfalt in Form von Mitarbeiter_innen und Themen, durch mehr links und rechts gucken abseits der altbewährten Medien, seien es Blogs oder Tweets. Bei vielen jungen Journalist_innen mache ich mir da gar keine Gedanken, es gibt viele, die ich gerne lese und denen ich all das zutraue und bereits bei ihnen sehe. Leider sitzen sie (noch) nicht in den Positionen, die über Diskurse (und damit Politik!) bestimmen.

Vielleicht braucht das alles auch einfach seine Zeit, und wächst sich von alleine raus. Demographischer Wandel und so. Ich trinke bis dahin weiter meinen Kaffee und sehe gespannt dabei zu, ob Blogs den bewährten Medien künftig nicht nur bei den Meinungen die Leserschaft abknuspern, oder auch bei der Berichterstattung.

We’ll see.
*Wir: wer immer sich eingeschlossen fühlt.
Hier noch der Vortrag von Greenwald zum Nachgucken:

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Freiheit im Netz.

Ab sofort wähle ich die Partei, die sich für Schutzräume für Frauen einsetzt - online und offline. Alle anderen können sich ihr “freies Netz” sonst wo hinstecken. Eure Freiheit im Netz ist nicht meine Freiheit im Netz.

Ich bin nicht frei, wenn ich hinter jedem wirren Account wieder einen Psychopathen Typen vermute, der sich als Frau ausgibt um ungehemmt gegen Feministinnen hetzen zu können. Ich bin nicht frei, wenn ich mich selbst zensiere, weil ich Angst habe, dass jemand zu der Veranstaltung kommt, auf die ich gehe. Ich bin nicht frei, wenn mich anonym irgendwelche Arschlöcher Menschen belästigen können, und ich gleichzeitig genau weiß, dass die Polizei, spätestens aber die Staatsanwaltschaft das nicht verfolgen wird, weil das “ja nur ein paar Idioten im Internet sind”.

Vielleicht habe ich jetzt endlich die Definition von “Netzfeminismus” entdeckt. Hat ja nur zig Bedrohungen, Beleidigungen, Verleumdungen und Diffamierungen gegen mich und liebe Menschen gebraucht.

Und im Ernst: wer diese Problematiken ab sofort bei “die Freiheit im Netz” nicht zumindest mitdenkt, dessen Netzpolitik ist unvollständig, privilegiert, und nichts, was ich möchte.

Dies war ein Rant.

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Ein neues Kaliber

bam

Am Samstag war die Openmind Konferenz, kurz #om13, in Kassel. Teilnehmer_innen verschiedener Parteien diskutierten über Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst… und das alles sehr konstruktiv, freundlich und tolerant. Jasna Strick hat einen Vortrag über Hate Speech gehalten, in dem sie Screenshots von Erniedrigungen, Bedrohungen und Beleidigungen zeigte, die feministische Aktivist_innen im Laufe der letzten Monate bekamen. Teils ist das harter Stoff, wenn da z.B. eine Schwangere bedroht wird. Der Vortrag verlief sehr ruhig, und über große Teile lässt Jasna die Kommentare einfach für sich sprechen. Ansehen kann man das ganze hier.

Was im Nachgang passierte ist ein Lehrstück für sich. Lehrsam, weil es viel über anti-feministische und frauenverachtende Strukturen offen legt, lehrsam, weil es zeigt, wie durch bestimmte Narrative manipuliert wird. Ich versuche im Folgenden die Mechanismen auseinander zu dividieren.

1. Doppelstandards.
Ein Teil der Kritik an Jasnas Vortrag lautete, dass Twitternamen und -fotos von Hatern öffentlich zu sehen waren. Es wurde verlangt, Beiträge auszublenden oder den ganzen Vortrag runterzunehmen - interessante Forderungen einer Gruppe, die Blocken als Zensur bezeichnet. Dabei wird augenscheinlich verdrängt, dass alle mit #aufschrei getaggten Replies ohnehin auf verschiedenen öffentlichen Seiten zu sehen sind oder waren und mit dem bewussten Benutzen eines Hashtags auch gezielt auffindbar gemacht wurden - von den Verfasser_innen selbst. Weiterhin wird verschwiegen, dass eben diese Hater oftmals Links zu Seiten wie Berufszyniker.com verbreiteten, eine Seite, die mittlerweile offline ist (einen Teil kann man noch hier nachlesen) und mit viel Mühe Klarnamen, Arbeitgeber_innen und ehrenamtliche Tätigkeiten verschiedener Frauen gegen ihren Willen auflistete. Eine ganz andere Dimension, als selbstgewählte Twitterpseudonyme und -profile, bei denen selbst Namen und Bilder nicht einwandfrei zu verfizieren sind, zu screenshotten.

2. Es trifft immer die Frauen
Eine im Vortrag zitierte Frau berichtete kurz darauf, dass sie Drohungen erhalten hätte auf Grund der Sichtbarkeit ihres Tweets im Vortrag. Diese Drohungen schienen sich nicht auf Twitter abzuspielen, sondern im nicht-öffentlichen Raum. Es ist bemerkenswert, dass in einem Vortrag, in welchem so viele Aussagen verschiedener Personen vorgestellt wurden - und eben nicht bewertet wurden - dann die Frau herausgepickt wird, um angegriffen zu werden. Aus welchem Umfeld die Drohungen kamen ist derzeit noch unklar, verurteilt wurden sie sofort von allen aktivistisch und Konferenz-Beteiligten. Eine Mit-Veranstalterin bot Unterstützung per Mail an und drückte ihr Bedauern aus. Wie es sein muss.

 

3. Erbsünde Feminismus
Obwohl es nun eine Frau traf, die sich Drohungen ausgesetzt sah und damit ähnliche Erfahrungen wie diejenigen machte, an welche die vorgestellten Hass-Tweets gerichtet waren, griff hier ein anderes Narrativ. Fast sofort wurde der Vorfall so geframet, dass gezielt (falsch) verkündet wurde, die Drohungen kämen aus dem #om13 oder #aufschrei Umfeld. Man würde sich auf eine unschuldige junge Frau einschießen. Dass die Beteiligten selbst über Monate mobbten, drohten, beleidigten, fällt wieder unter den Mechanismus “Doppelmoral”. Und noch einen Schritt weiter: durch gezielte Täter-Opfer-Umkehr wurde Jasna beschuldigt, gehetzt zu haben und an den Pranger gestellt zu haben. Dieser Mechanismus stützt sich im Wesentlich darauf, dass jede Person, die mit Feminismus in Verbindung gebracht wird, zur Diffamierung freigegeben wird - wer feministisch ist, der glaubt man nicht. Das konnte man bspw. dann beobachten, als anti-feministische Personen Onlinemedien anschrieben um Feminist_innen als Lügner_innen zu brandmarken. Für die Partei der Piraten reicht es hier schon, einen Vortrag über frauenfeindliche Hate Speech zugelassen zu haben. Die Pirat_innen würden sich auf eine Frau stürzen. Teile der Piratenpartei taten genau dies - indem sie Jasna angriffen.

4. Narrativ Unschuldslamm
Sowohl die Drohungen an @ochdomino als auch die Hate Speech, die Jasna vorstellte, sind für sich genommen jeweils schreckliche Ereignisse. Ein interessanter Mechanismus ist, dass die Wahrnehmung durch das Narrativ “einer Frau gegen eine überwältig große Gruppe von Pirat_innen und Aktivist_innen” von ihren vorherigen Taten so weit verändert wurde, dass der eigentliche Grund für Jasnas Vortrag - Hate Speech von anti-feministischen Gruppen - vollkommen in den Hintergrund trat. Es fand eine Reinwaschung und nachträgliche Legitimierung statt. Indem wieder einmal erzählt wird, dass feministische Gruppen eine für sich stehende Frau bedrohen, zensieren und anprangern würden, werden so vorher getätigte abfällige Aussagen (vermeintlich) legitimiert. Im Sinne von: guckt, die sind so böse, sie hatte schon recht mit ihren Äußerungen. Verstärkend hinzu kommt das Framing als “moderate Kritik”. Zur Erinnerung: es ging um Bezeichnungen als “Hipster-Fötzchen”, Frauen wurden als “faschistoid” bezeichnet, und wenige Stunden nach dem #om13 Vortrag gab es noch ein “fette XYZ” in Richtung Jasna. Bedauernswerterweise sind die Blogposts von @ochdomino zu #Aufschrei gelöscht, liegen mir aber in Teilen noch vor. Es ist insofern bedauerlich, dass hier keine transparente Aufarbeitung mehr stattfinden kann. Beim auslösenden S-Bahn Vorfall im Mai, nach welchem @ochdomino titelte, dass Feministinnen #aufschrei kaputt machen würden, kann die Veränderung des Narrativs bereits beobachtet werden:

twitterscreenshotscreenshotks(Der Twitter-Screenshot liegt mir auch unverpixelt vor, und der untere Screenshot ist aus dem Webarchiv von kleines-scheusal.de)

Zusammen mit den Mechanismen “Erbsünde Feminismus” und “Doppelmoral” werden Aktivist_innen und die Dinge, die sie erleben, wieder unsichtbar gemacht. Es passt genau ins Bild der feministischen Weltverschwörung, in der irgendwelche “Radikal-Feministinnen” andere Frauen unterdrücken und Männer hassen. Worum es eigentlich ging - monatelanges Mobbing, Drohungen, Beleidigungen - wird relativiert und somit weggewischt. Auch die sofortige Distanzierung und das Hilfeangebot per Mail wurde verschwiegen, da es nicht ins Narrativ der hetzenden feministischen Szene passte. Dies ist ein bekannter Vorgang und wahrlich nichts Neues.

Was neu ist: wie sehr sich eine Partei hat verrückt machen lassen. Und dies war clever von Seiten der Anti-Fems: kurz vor der Bundestagswahl mal eben ein Gate bei der Piratenpartei heraufbeschwören und alle kirre machen. Durch Unbeteiligte, die wohl ohne ausreichende Kenntnis der Szene kurzschlusshandelten und den Vortrag auf privat setzten, steigerte sich alles weiter hoch.

Was bleibt.

Die deutsche anti-feministische Szene bedroht, beleidigt, diffamiert seit Monaten öffentlich und privat feministisch Aktive. Anscheinend wurde dies nicht sichtbar genug gemacht, wenn sich große Teile von Unbeteiligten so leicht manipulieren lassen. Offensichtlich muss noch deutlicher gemacht werden, wie oft Arbeitgeber_innen angeschrieben, angerufen und angeschrieen werden, dafür, dass sie Feminist_innen beschäftigen. Ganz dringend müssen wir noch lauter darauf aufmerksam machen, wenn Hater sich wünschen, dass Schwangeren etwas passiert und Frauen mit Vergewaltigung gedroht wird. Es muss begriffen werden, dass dies nicht irgendwelche harmlose Trolle im Internet sind, die keine Auswirkung auf das “echte” Leben haben - sondern dass dieses Netzwerk von Anti-Feminist_innen Menschen verändert und beeinträchtigt. Das wichtigste ist jedoch, dass vielleicht alle verstehen, wie viel Anti-Feminismus eigentlich kaputt macht: es schadet allen Frauen, egal ob Nicht-Feministin, Feministin oder Anti-Feministin.

 

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Leseprobe “Ich bin kein Sexist, aber… - Sexismus erlebt, erklärt, und wie wir ihn beenden.”

Der Orlanda Verlag hat Nicole von Horst, Mithu M. Sanyal, Jasna Strick und mir die Chance gegeben, in einem Buch über Sexismus zu schreiben. Heraus gekommen sind vier Kapitel u.a. über #aufschrei, Machtstrukturen, Abwehrmechanismen als Reaktion sowie Alternativen und Lösungsansätze.

Freundlicherweise darf ich euch eine Leseprobe zur Verfügung stellen. Die folgenden Absätze sind aus meinem Kapitel zu Sexismus und Macht: “Kaffeeschubsen und Machtspiele – wo fängt Sexismus an?” und geben euch einen kleinen Eindruck. Wirklich kleinen Eindruck, denn so unterschiedlich wie die Autorinnen, so unterschiedlich sind auch die Texte. Vor allem die Texte von Nicole, Mithu und Jasna kann ich nur loben - es macht mich gerade stolz, mit Frauen wie ihnen in einem Buch gelandet zu sein.

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Es ist April 2013, in einer Talkshow sitzen verschiedene Menschen zusammen, um über Sexismus zu sprechen. Es vergehen keine fünf Minuten, da stellt eine der Frauen in der Runde klar: Sexismus hängt eng mit Machtstrukturen zusammen! Super, denke ich. Vielleicht wird heute endlich mal substanziell über das Thema gesprochen, über Macht, Kontexte und Strukturen. Als ein Kolumnist eine Stunde später von »amerikanischen Verhältnissen« spricht und erzählt, wie von ihm dort bei einem dritten Date erwartet werde, mit der Frau zu schlafen, sollte sie so wollen, gebe ich die Hoffnung auf. Zu viele ablenkende Kommentare über Flirts, zu viele rhetorische und zumeist unbeantwortete Fragen, was denn noch erlaubt sei.

Doch wo genau kommt dieser Drang her, Sexismus reflexartig mit Flirtversuchen, Erotik und misslungenen Witzen gleichzusetzen? Was genau ist überhaupt Sexismus? Es wird und wurde viel über Sexismus, sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe gesprochen. Eine oftmals wiederkehrende Reaktion ist die Verunsicherung in Bezug darauf, welches Verhalten »noch in Ordnung« ist und welches Verhalten schon als sexistisch gewertet werden kann. Was unterscheidet einen Flirt von Sexismus? Die Grenze verläuft unstetig, ist schmal und unsichtbar. Sie liegt dort, wo sich Menschen nicht mehr auf Augenhöhe, sondern in einem Machtverhältnis begegnen. Die gute Nachricht vorab: Studien belegen immer wieder, dass sowohl Frauen als auch Männer klar erkennen können, wann etwas sexistisch – also objektifizierend, abwertend – und wann etwas ein Kompliment oder ein Flirt ist. Eine Ende der 1990er Jahre durchgeführte Untersuchung zeigte sogar, dass Männer anzügliche Witze, Bemerkungen und pornographische Bilder am Arbeitsplatz eher als Belästigung einstuften als Frauen. Das Bewusstsein darüber, was »noch erlaubt« ist und was die feine Grenze überschreitet, scheint also durchaus vorhanden. Wie kommt es dann aber, dass laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) jede zweite Frau schon einmal Sexismus erlebt hat? Wie kommt es zu den vielen Berichten im Rahmen von #aufschrei und alltagssexismus.de, die aus dem Berufsleben erzählen? Dieser Beitrag versucht, hier etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Ein Beispiel: Das Vorstellungsgespräch war bisher gut gelaufen. Die junge Frau brachte hervorragende Zeugnisse mit, Elan, Kompetenz und schien auch gut ins Team zu passen. Sie hatte ein gutes Gefühl, sie wollte diesen Job, und vielleicht war es ihr ja auch gelungen, das auszustrahlen. Das Gespräch näherte sich dem Ende, und der ihr gegenübersitzende Personalverantwortliche musterte sie noch einmal eindringlich. »Ich habe noch eine Frage, die ich speziell Ihnen als junge Frau stellen möchte. Angenommen, Sie sind mit einem Kunden bei einem Geschäftsessen. Er will mehr von Ihnen und lässt nicht locker. Was tun Sie?«

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“Ich bin kein Sexist, aber” erhaltet ihr in allen gut sortierten Buchhandlungen, über den Orlanda Verlag und natürlich bei Amazon.

 

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Über Geizhälse, Warmduscher und die “Ungerechtigkeit” von Schimpfwörtern

But I’m A Nice Guy from Scott Benson on Vimeo.

Es gibt einen Berufszweig, der sich allein mit dem persönlichen Kampf gegen subjektiv erlebte Bedrohungen auseinandersetzt. Die Ausüber dieses Berufs nennt man Kolumnist_innen, eine Unterdisziplin des Journalismus. Zu den Praktiken dieses Kampfes gehört, in zyklischen Abständen immer wieder dieselben Themen aufzuwärmen und in Texten zu verwursten. Meist wird versucht, das subjektive Empfinden an (pseudo-)wissenschaftliche Fakten zu knüpfen und damit zu legitimieren.

Letzte Woche erregte sich Harald Martenstein in der Zeit über Schimpfwörter: denn eigentlich spiegelte sich doch hier ein unfaires Geschlechterverhältnis wieder, schließlich hieße es ja “Taugenichts” (und nicht “Taugenichtsin”):

Geschlechtergerechtigkeit gibt es allenfalls bei der “Hure” und dem “Hurenbock”, die sich malediktologisch auf Augenhöhe begegnen. Frauen wären in der Sprache der Schimpfwörter nahezu unsichtbar, gäbe es, als Lichtblick, nicht wenigstens die “Zicke” und eine Handvoll vielversprechender Neuprägungen. [x]

Auf so etwas muss man erst mal kommen, und ein bisschen beneide ich Herrn Martenstein ja um a) seine stringente Form der Realitäts - ich sag mal - anpassung und b) seine Möglichkeit, mit so was auch noch Geld zu verdienen. Ich mein, ernsthaft, liebe Zeit?

Aber, Herr Martenstein, Ihr Anliegen ist mir wichtig, und ich möchte Sie beruhigen: es gibt wahrlich keinen Mangel an Schimpfwörtern für Frauen - die fangen bei Hure an, und hören bei Zicke lange nicht auf. In Zeiten, in denen - durch Kolumnen wie Ihre - die Perzeption geschaffen wird, Frauen wären die wahren Unterdrücker und das Patriarchat längst vergessene alte Legende, die sich verwahrloste Männer flüsternd am Herdfeuer oder Bügelbrett erzählten, gibt es nährstoffreichen Boden für viele (auch neue) Wortschöpfungen, mit denen Frauen bedacht werden. Ich kann Sie außerdem beruhigen: die Schimpfwörter sind keineswegs so oberflächlich wie Taugenichts, und sie machen auch vor jungen Mädchen nicht Halt. Niemand wird ausgeschlossen - selbst Männer nicht, die sich mit Frauen solidarisieren. Das reicht nämlich oft schon, um beschimpfungswürdig zu sein.

Hier präsentiere ich Ihnen also eine kleine Auswahl an Schimpfwörtern für Frauen, vielleicht für Ihre nächste Kolumne, vielleicht für Ihre wissenschaftliche Sammlung (u.a. via Hatr.org).

[TW für alle anderen.]

  • dumme Kuh
  • blöde Sau
  • Zicke
  • Schlange
  • dumme Gans
  • fettes Walross
  • Tussi
  • Hexe
  • Trulla
  • Luder

Wie, kommt nicht an “Schweinehund” ran? Okay, vielleicht ja diese “vielversprechenden Neuprägungen”?

  • Hure
  • Pute
  • Schnepfe
  • Nutte
  • Drecksnutten
  • Kommentarnutte
  • Trockenpflaumen
  • Schlampe
  • Abzockerschnepfe
  • Fotze
  • Drecksfotze
  • Fotzenweib
  • Quotenfotze, oder auch Quotze

Das wird Sie wahrscheinlich nicht überzeugen, Herr Martenstein, dass Frauen genauso sehr beschimpft werden können wie Männer mit Geizhals, Warmduscher und Taugenichts - und nicht nur können, sondern auch werden, Tag für Tag. Fragen Sie doch mal Ihre Kolleginnen, was die so für Post erhalten.

Aber ich kaufe Ihnen gerne ein Eis, wenn Sie das nächste Mal das Gefühl haben, übervorteilt worden zu sein. Dann müssen Sie auch nicht in billigen, mäßig provokativen Andeutungen Züchtigungen für Professorinnen anregen.

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Feminismus - we’re in this together.

fems

[Das] Märchen von der gelungen Emanzipation und dem mißlungenen Frauenglück hält sich seit Jahren hartnäckig. Auch unter Frauen. Dabei gibt es wohl weder den Fort- noch den Rückschritt, weder die gelungen noch die mißlungene Frauenbefreiung, sondern schlicht beides: Veränderung und Stillstand. Frauen sind nicht in den Himmel weiblicher Freiheit gelangt, sondern ins alltägliche Fegefeuer eines zermürbenden Kleinkriegs der Geschlechter. (…)

Der Feminismus ist keine Heilsbotschaft und schickt keine Erlöserinnen, aber seine Themen haben sich auch nicht erledigt. (…)

Schwesternstreit? - ja bitte! Wie sonst lassen sich Erstarrungen aufbrechen und festgefahrene Debatten neu eröffnen?

- Bascha Mika (1998): Alice Schwarzer, Eine kritische Biographie, S.18

Als ich diese Worte in Bascha Mikas Biographie von Alice Schwarzer las, musste ich schmunzeln. Gleichzeitig durchfuhr mich eine Bitterkeit. Selten habe ich wahreres über Feminismus und Feminist_innen gelesen, selten hat es besser gepasst.

Wo stehen wir in Deutschland 2013 mit Frauenbewegung, Feminismus, Aktivismus? Wie sieht die berühmt-berüchtigte “Szene” aus, wie sind wir aufgestellt, und wo geht es hin? Seit Wochen zerbreche ich - und ich weiß auch viele andere kluge Frauen und Männer - mir den Kopf darüber. Ich war jahrelang fast so etwas wie eine Anti-Feministin. Feminismus fand ich überholt und verquer, Quote schwachsinnig und unnötig, die Diskussionen entweder hysterisch oder verkopft. Dann las ich in Thomas Schwinns Buch zu sozialen Ungleichheiten, und es öffnete mir die Augen. Ich begann vieles zu überdenken, neu zu sehen. Dann kam #aufschrei. Frauen, die mir vorher unnahbar vorkamen, diese beunkte “Szene”, öffneten solidarisch ihre Arme, teilten ihre Geschichten und Erfahrungen. Unabhängig von Followerzahlen, “Popularität”, oder sonstigen oberflächlichen Kategorien, waren sie einfach da. Eine Zeit lang gab es keine Strömungen, es gab uns, unsere Solidarität unter einander, wortloses Verständnis. Ich war zu Hause.

Die Wochen und Monate vergingen. Der Medienhype legte sich, Aktionen wurden gestartet, neue Gruppen bildeten sich, meist aus dem einfachen Grund, dass man sich eben etwas besser “kannte” - so man das halt im Internet sagen kann. Ich blicke immer noch nicht durch alle Strömungen durch. Und sie sind wertvoll. Für uns alle. Mit Spannung verfolge ich die Critical Whiteness Debatten. Und wenn ich mich nicht dazu äußere, dann aus tiefstem Respekt vor dem Thema und der Unsicherheit darüber, etwas falsches zu sagen. Sich selbst immer wieder zu reflektieren, die eigenen, alten Standpunkte zu überdenken, ist manchmal schwer, aber oft unglaublich befreiend. So bin ich dankbar über die “alten” und “neuen” Feminist_innen, Menschen die bei Emma und der Mädchenmannschaft seit Jahren die Stellung halten. Ein kleines bisschen dankbar bin ich auch Femen - und es tut mir in der Seele weh, wenn ich ihre kruden Äußerungen lese, von denen ich mich einfach distanzieren muss.

Was allerdings schmerzhafter für mich ist, ist der Umgang untereinander. Diskussionen mit Maskulisten und Anfeindungen durch Berufshater zermürben, die oberflächliche Darstellung durch Journalist_innen mit ihren eigenen Agenden und/oder Vorurteilen nimmt Kraft. Niemand hat Lust, immer wieder alles zu erklären. Niemand hat Kraft, auf jede Kritik charmant und verständnisvoll zu reagieren. Das hat nichts mit Feminismus zu tun. Das ist menschlich. So kann ich auch Sticheleien verstehen. Sie sind Ventil für Frust, Wut, Enttäuschungen. Ich kann es verstehen, sich über Menschen aufzuregen, die eigene Positionen nicht teilen - vor allem, wenn sie Teil derselben Bewegung sind. Ich kenne das aus der Parteiarbeit sehr gut. Jemand, der in der SPD die VDS befürwortet, tut mir sehr viel mehr weh, als jemand aus der CDU. Dem liegt ein höherer Anspruch an uns alle zu Grunde. Damit verbunden ist jedoch ebenfalls ein Zutrauen, sich auf die andere Position einzulassen - und geschieht das nicht, sind wir enttäuscht.

Dies soll kein Text werden, der Strömung X gegen Gruppe Y abwägt. Ich weiß nicht mal, ob ich mich irgendeinem Teil davon zugehörig fühle - ich bin in den Feminismus reingestolpert, und versuche immer noch mich zu orientieren. Ich möchte einfach meine Solidarität aussprechen. Am Ende haben wir alle dasselbe Ziel: eine gleiche, besser Welt. Mehr, gleiche Chancen für Frauen. Ob durch Online-Aktionen, intersektionale Debatten, ob durch Demos oder Diskussionsrunden im Fernsehen - alles führt letztendlich dazu, das Thema in der Gesellschaft präsent zu halten - denn das ist nötiger denn je, in einer Zeit, in der meine Generation mit der Überzeugung aufwuchs, Feminismus wäre ja eigentlich nicht mehr nötig. Die Gesellschaft ist vielschichtig, Menschen sind unterschiedlich - unterschiedliche Personen erreicht man durch unterschiedliche Wege. Manche reagieren auf persönlichen Erfahrungsaustausch. Manche auf Humor. Andere auf Wissenschaft. Alle Wege und Mittel sind gleichermaßen wichtig, so wie alle Menschen, die wir erreichen wollen, gleichermaßen wichtig sind. Wir sollten uns alle dabei unterstützen - und kritisieren. Und die Kritik als das verstehen, was sie ist: konstruktive Anregungen unter Verbündeten. Dazu sollten wir alle darauf achten, sie entsprechend zu formulieren und anzunehmen. We’re in this together.

Ich habe noch niemanden getroffen in dieser unglaublich großen Menge an tollen feministischen Menschen, die sich nicht immer wieder hinterfragt. Wir sollten uns selbst gegenüber versöhnlicher sein. Wir machen Fehler. Wir lernen daraus. Die Gesellschaft ist nicht gerade für uns - und so bleiben nur wir untereinander als Kompliz_innen. Wir haben viele, viele Unterstützer_innen, die stumm beobachten und uns von den Seitenlinien anfeuern, ohne Blog oder Twitteraccount. Das dürfen wir nicht vergessen. Auf jede “sichtbare” Feministin kommen dutzende unsichtbare. Auch hier sollte es Bestrebung sein, die Vielfalt der Bewegung sichtbar zu machen. Dies braucht manchmal Zeit und Vertrauen. Wie viele weiter geleitete Interviewanfragen ich aus Angst oder Zeitmangel bereits abgelehnt habe, weiß ich nicht mehr. Das sich-Bewegen im Medienzirkus ist schwierig und mit Nutzen abzuwägen. Doch wir sollten uns auch daran erinnern, dass es nur eine Person in Deutschland gibt, die mit dem Thema Feminismus derzeit einen Blumentopf gewinnen kann: Alice Schwarzer. Für jede andere Frau ist das Thema eher Stempel statt Auszeichnung. Wenn sich eine von uns freiwillig ins Rampenlicht begibt, dann mit der tiefsten Hoffnung, dadurch etwas zu verbessern. Vielleicht ist das manchmal naiv. Andererseits würden das manche auch über den feministischen Glauben an eine Möglichkeit der völligen Gleichberechtigung von Mann und Frau sagen. Hoffnungslose Naivität und unerbitterlicher Idealismus sind unsere Waffen. Wir sollten sie uns nicht gegenseitig aus den Händen nehmen.

Bascha Mika endet ihre Einleitung mit einem Zitat von Alice Schwarzer (S.20f):

…einen Menschen, den ich ernst nehme, messe ich an seinen Möglichkeiten, ihm gebe ich die Chance einer (offenen!) sachlichen Kritik, statt ihn der Demontage einer (heimlichen) unsachlichen Häme auszuliefern.

Auch wenn Alice Schwarzer sich nicht mehr an ihren Leitsatz erinnern zu scheint, so sollten wir ihn uns zu Herzen nehmen und uns immer wieder daran erinnern: we’re in this together.

<3

 

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Jetzt zieh dir doch mal was an, du kriegst noch ne Blasenentzündung!

Ra

Quelle Smite

Ich spiele gerne. Ab und zu schreibe ich ja auch hier was dazu. Und heute ist wieder so ein seltener Tag. Lobet den Spielegott!

Vor ein paar Monaten schrieb ich einen langen Artikel zu Sexismus und Spielen ganz allgemein. Als Beispiel dafür brachte ich Smite an, ein Spiel, für dass ich anfangs Feuer und Flamme war, mir richtig Spaß machte, aber es jetzt schaffte sich schon in der Beta-Phase ins Aus zu schießen. Durch was? Nun. Durch die sogar noch zunehmende Sexualisierung der weiblichen Göttinnen. Mit jeder Charaktervorstellung wurden die Outfits knapper. Mit jeder neuen Göttin die Busen größer. Mit jedem Bild mehrten sich die Kommentare der Spieler_innen: meh, wollen wir nicht, was soll das. Aber auch: geil, sexy, heiß, mehr davon. Smite wurde ein Spiel, das lange nicht mehr allein zum Ziel hat gute Kämpfe in Teams anzubieten, sondern vielmehr im Rundumpaket “was fürs Auge” zu bieten. So sind dann auch die Outfits, die man für erspielte Credits kaufen kann, immer abstruser geworden: von der Krankenschwester zur Domina, alles dabei. Die männlichen Götter dagegen cool und lässig: ihre erspielbaren und käuflichen Outfits sind lustig, schräg, stark. Sie heben Charakterzüge hervor, während das einzige, was die Outfits der Göttinnen hervorheben, äußere Geschlechtsmerkmale sind.

Okay, ein Spiel, offensichtlich gemacht von Männern, die nie im Leben dachten, dass potenziell eine Frau ihr Spiel spielen könnte. Oder so. Denn, hey, mal ehrlich. Dieses Tittengewackel, die nackten Beine, die übergroßen Ärsche, allgemein, all diese omnipräsenten Geschlechtsteile von Frauen in Spielen, die ihnen eigentlich schon beim Laufen im Weg sein müssten - es nervt. Zieht den Frauen doch mal was an! Bei Männern klappt das doch auch. Selbst die von mir geliebt Mass Effect Reihe trägt ihren Teil dazu bei: Miranda, einer der Hauptcharaktere im zweiten Teil, trägt einen hautengen Latexanzug, der jede Kontur abbildet. Jede. Und selbst in simplen Gesprächen haben die Macher_innen sichergestellt, dass wir auch ja nichts verpassen.

Yeah, keine Ahnung wie Miranda in dem Outfit kämpfen kann, mich würde ja die Hose in der Ritze zu sehr zwicken und mich um jede Konzentration bringen. Aber kay. Solche Dinge sind manchmal lächerlich, so dass ich nur lache und die Schultern zucke, und manchmal so überladen und wiederkehrend, dass sie mich regelrecht von einem Spiel abstoßen (siehe Smite). Was so, so, schade ist. Wie soll ich mich in einem RPG mit einem halbnackten Püppchen-Charakter identifizieren, wenn ich ihr nichts anziehen kann? Ich mein, okay, klar, es gibt Leute, die möchten ihre Frauen so spielen…

Skyrim

Gefunden in einem Skyrim-Forum Quelle

…aber ich würde doch zumindest gerne die Wahl haben. Denn, sorry, wenn ich sehe, wie männliche Charaktere dagegen ausgerüstet werden, erfasst mich schon ein bisschen der Neid. Das scheint wenigstens realistisch! Bis obenhin zugepanzert, coole schwere Rüstung aus Drachenknochen oder weiß der Henker, Panzerung statt Rüschen, Ausrüstung statt Schleifen. Wenn meine Heldin nur einen Schlüpper und nen Gürtel plus BH trägt, müsste sie schon allein auf dem Weg nach Winterfeste erfrieren. Von den Verbrennungen 18. Grades beim Kampf gegen einen Drachen mal ganz zu schweigen. Was soll das also?

Es geht mir nicht darum, jemanden sexy Outfits wegzunehmen (wozu gibt es schließlich auch noch entsprechende Mods). Wenn für euch das zum Spielerlebnis dazu gehört, kein Ding. Cool. Haut rein. Es geht einfach darum, eine Wahl haben zu können. Bei NPCs auch etwas Realismus und Abwechslung zu haben. Und vor allem darum, Frauen nicht durch eine übertriebene Sexualisierung wieder klein zu machen und sie auf Äußerlichkeiten zu reduzieren, anstatt sie als die badass Heldinnen/langweilige Randompersonen/gute Freundinnen/Informationsgeberinnen zu sehen, die sie sind. Mich würde es wohl genauso stören, wenn alle männlichen NPCs in Spielen mit nacktem Oberkörper und engen Ledershorts, in denen der Schritt Footballgröße hat, rumlaufen würden. Die Frage ist ja - denken Spielemacher_innen, dass dies von der Community gewünscht wird, und wird es wirklich gewünscht? Und wer gehört dieser Community überhaupt an? Aber dazu ein anderes Mal mehr…

Denn es geht ja auch anders. Mittlerweile gibt es zumindest die Möglichkeit, schwere Rüstungen auch an weibliche Charaktere anzulegen. Sieht zumindest schon etwas besser aus:

Lydia

Quelle Skyrimforums

Aber auch hier scheint es nur Rüstungen zu geben, die Weiblichkeit betonen. Alle haben sie die obligatorische Brustplatte, die Brüste akzentuiert. Hier könnt ihr super nachlesen, warum jede Heldin in solch einer Rüstung beim ersten Kampf wohl tot wäre - der resultierende Druck auf das Brustbein würde sie umbringen. So viel dann zum Realismus… Tja, dann wäre der Ganzkörperlatexanzug von Miranda wahrscheinlich noch die bessere Wahl. Doch es geht auch anders. Es gibt immer wieder Concept Arts mit schönen, weiblichen Rüstungen, zum Beispiel diese hier von Thor. Ich würde mir mehr davon wünschen. Viel mehr. Nicht nur in den spielbaren Charakteren, sondern überall.

Damit Frauen in Spielen eben mehr als Tropes sind, mehr als billige Plotlines oder Deko. Damit sie, selbst wenn sie denn dann eine inhaltliche Funktion bekommen, nicht trotzdem zum Anguck-Objekt degradiert werden. Damit Mädchen und junge Frauen, die mit Spielen aufwachsen wenigstens in dieser Welt eine Zuflucht haben, in der sie nicht der ständigen Sexualisierung unterworfen werden. So wie die sogenannte große Spielerszene aus selbsterklärten Gamern, die sich von den falschen “Fake-Gamer-Girls” abgrenzen wollen, einst Zuflucht bei Counter Strike, FinalFantasy, Starcraft usw. fanden, um für ein paar Stunden Held sein zu können, ohne an die schmerzhafte Realität erinnert zu werden.

Denn Spiele sind nicht nur Spiele. Spiele sind Teil einer Kultur, unserer Kultur, und somit Teil der Gesellschaft. Sie prägen uns mehr als uns lieb ist. Eine Studie zu weiblichen Spielecharakteren und ihren Einfluss auf (Selbst-)Wahrnehmung von Frauen schrieb dazu folgendes:

On the one hand, such female characters are strong, bold, intelligent, and independent, but on the other hand they are made-up (with makeup and clothing), sexualized, and objectified. These latter characteristics are what maintain females vulnerable and non-threatening status. Thus, the powerful role of the female heroine is diminished by the emphasis on her physical feminine appearance. In particular, it is the sexualization of female characters in video games that seems likely to negatively influence video game players perceptions of self and women in society. Based on the assumptions of social cognitive theory of gender development and differentiation, exposure to sexually objectified women and girls in video games would be expected to influence social perceptions about gender and women.

[...]

Specifically, these data cautiously indicate that gender portrayals in video games can, in fact, affect people’s beliefs about women in the real world, and women’s self-efficacy’s gendered self-concept.

Die ganze Studie könnt ihr hier nachlesen. Das Aussehen weiblicher Heldinnen und NPCs ist also nicht nur Geschmackssache, sondern hat handfeste Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung von Frauen im Alltag. Auch wenn große Publisher sich dem vielleicht sogar schon bewusst sind, über kurz oder lang hilft es wohl nur, positive Beispiele heraus zu stellen und sonstigen Quatsch wie Zombie-Bikini-Büsten nicht zu kaufen. Und die dazugehörigen Spiele gleich nicht mit.

Und damit der Post hier nicht auf so einer ernsten Note endet, hier mein All Time Favorite Spiele Mod.

Artikel

Sex, Tugend, und die Pille danach.

Quelle Favianna Rodriguez

Was haben Deutschland, Italien und Polen gemeinsam? Sie sind die einzigen drei Länder in Europa, in denen Notfallverhütung (die “Pille danach”) nicht rezeptfrei ist. Sie sind außerdem Länder, die eine ausgeprägte christliche Lobby haben - in Deutschland regiert sie sogar.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt seit einem Jahrzehnt, die Rezeptpflicht der Pille danach abzuschaffen. Bei der Notfall(!)Verhütung geht es schließlich um Stunden - sie muss möglichst schnell eingenommen werden, um wirksam zu sein. Deutschland widersetzt sich dieser Empfehlung hartnäckig, und die Regierung lehnte zwei Anträge der SPD und Linken, dies zu ändern, diese Woche ab. Wie schlimm die Situation für Frauen in Deutschland wirklich ist, wenn sie in die Lage kommen, die Pille danach zu benötigen, könnt ihr hier im Text und den Kommentaren nachlesen. Oder einfach mal mit Frauen sprechen, die schon mal darauf angewiesen waren.

Scham.

Das ist das Wort, dass es wohl am besten trifft. Fast alle Frauen berichten von beschämenden Erfahrungen. Selbst Frauen, die vergewaltigt worden sind, denen ein Kondom riss (das mag tatsächlich vorkommen, no kidding) oder sonst wie nach den deutschen Moralvorstellungen “unschuldig” die Pille danach benötigen, werden in Blicken, Worten und Taten beschämt. Wo rührt das her? Woher kommt dieser Hang zur Tugend, diese Wahrnehmung, Frauen, die eine Pille danach bräuchten, wären unverantwortlich? Und, selbst wenn sie das alle wären - woher kommt die Annahme, auch nur irgendein_e Politiker_in, Ärzt_in, Apotheker_in hätte das Recht, darüber zu urteilen?

Frauen und Sex, ja, okay. Aber bitte verhüten. Und ohne Folgen. Schon gar keine ungewollten. Schön leise. Und bitte liebe Frauen, habt ja keinen Spaß. Sex dürft ihr nicht häufig haben, nur mit einem wiederkehrenden Partner und nur dann mit einer Frau, wenn mindestens ein Mann zu seiner Unterhaltung zuguckt. Frauen, die ihren Körper und Sex genießen, ja wo kämen wir denn da hin! Frauen, ihr müsst dabei stets alle Folgen im Blick haben, habt ihr die Pille auch schön genommen und dem Mann das Kondom gekauft? Ihr dürft euch nicht gehen lassen. Perfekte Tugend, Engel und Hure, aber nur so lange die Hure hinter geschlossenen Türen bleibt und sich ja nicht erdreistet, eine Notfallleistung einzufordern.

Ich habe die Schnauze voll, dass mir eine Gesellschaft meinen Körper, meine Sexualität bestimmen will. Denn neben all den fadenscheinigen Argumenten um Nebenwirkungen (nicht schlimmer als die Regelschmerzen und -begleitungen die viele Frauen monatlich haben), Missbrauch (#wiesmarties), und inkompetente Apotheker_innen die nicht beraten können (ernsthaft?!), ist es das, worum es geht: sexuelle Selbstbestimmung.

Ich schlafe mit wem ich will.

Wie ich will.

Wann ich will.

Wo ich will.

Und sollte ich tatsächlich in die beschissene Lage kommen, Notfallverhütung zu benötigen, hat niemand, absolut niemand, das Recht, über mich zu urteilen.

Ihr seid nicht besser als ich. Ihr arbeitet, ihr lebt, ihr fickt, ihr habt Spaß. Ihr seid genauso sehr und genauso wenig eine Hure, Schlampe, Fotze, Frau, Mensch wie ich.

Ihr macht mir keine Angst. Und ihr werdet mich nie wieder beschämen.

Artikel

Mein Körper, mein Herz, mein Verstand, meine Seele.

Meine Meinung gehört mir.

Meine Lust, über etwas zu sprechen oder schreiben oder gar zu diskutieren genauso.

In letzter Zeit passiert immer öfter etwas merkwürdiges: Menschen denken, ich wäre verpflichtet, mit ihnen über Themen zu diskutieren. Dinge wie Frauenquote oder das Gender_Gap zu rechtfertigen. Zu argumentieren. Menschen, die erwarten, dass ich ihnen meine Zeit widme. Meine Zeit, meine Aufmerksamkeit. Einen Teil meines Lebens. Menschen, denen ihr Tonfall egal ist, für die ich ein Abbild eines Vorurteils bin, frei verfügbar, beschimpfbar, benutzbar. Erklär mir das. Rechtfertige jenes. Keine Lust? Das ist so typisch!

Sie wollen, dass ich ihnen gehöre.

Mit Sinn, Verstand, Gefühl.

Es ist das alte Muster: du stehst da mit deiner Meinung, die zufällig anders ist als die meine. Doch ich hab die Macht, also erklär sie mir gefälligst, bück dich, schluck all die Vorwürfe und Belehrungen die ich halbgar ausspucke, und lächel nett. Bleib höflich, nicht aufmucken. Sei still. Brav. Schön. Und jetzt mach mir ein Sandwich.

Ich gehöre euch nicht. Ich bin zu nichts verpflichtet.

Genauso wenig ist Anne verpflichtet, auf der re:publica in ihrer Präsentation die bahnbrechenden Weltverändernden Schritte zur gerechten Welt nach #Aufschrei aufzuzeigen. Genauso wenig ist Kathy verpflichtet, nach der Maischberger Sendung jeder Person Feminismus zu erklären. Genauso wenig ist Jasna verpflichtet, nett und höflich zu Pick Up Artists zu sein, die sie vorher beleidigten.

Feminismus ist keine Selbstaufgabe.

Feminismus ist Stärke, Mut und Inspiration.

Nur weil manche Menschen zufällig in der privilegierten Position sitzen, von feministischen Themen nicht berührt zu werden, gibt es ihnen nicht das Recht an meiner Meinung. Meiner Zeit. Meiner Leidenschaft.

Die Verfügbarmachung von Frauen ist weltweites Muster - körperlich, seelisch, emotional. Immerzu müssen Frauen verfügbar sein. Schön sein. Nett sein. Adrett sein. Intelligent argumentieren. Ihr Meinung begründen. Männer (und Frauen) überzeugen.

Respekt wird an Argumente gebunden: Wenn du mich nicht überzeugen kannst, dann respektiere ich dich auch nicht. Wenn du mir keine Zeit widmest, darf ich dich beschimpfen.

Es wird Zeit, aus diesem Muster auszubrechen.

Meine Meinung gehört mir. Mein Mut gehört mir. Mein Herz gehört mir.
Meine Tränen, mein Schweiß, meine Verzweiflung, meine Freude, meine Träume gehören mir.

Wer das nicht respektieren kann, ist Gefangene_r eines längst überholten Gesellschaftmusters.